Fakten über: Benin-Bronzen
Die Benin-Bronzen sind eine Gruppe von mehreren tausend Metalltafeln und Skulpturen, die seit dem 16. Jahrhundert den Königspalast des Königreichs Benin schmückten. Sie wurden im Zeitalter der Kolonisation Afrikas durch das Vereinigte Königreich 1897 als Beutekunst nach Europa und in die USA verkauft. Alleine in Deutschland gibt es mehr als 1000 Objekte in Museen, die meisten davon in Berlin. Forderungen zur Rückgabe dieses Kulturguts kolonialer Herkunft wurden von Seiten der nigerianischen Regierung seit den 1970er Jahren vorgebracht. Seit Ende 2021 gab es erste Restitutionen aus dem Museum of Modern Art und aus britischen Sammlungen.
Am 1. Juli 2022 unterzeichneten Deutschland und Nigeria ein Abkommen über die Rückgabe der Benin-Bronzen in deutschen Museen, diese befinden sich jetzt in nigerianischem Eigentum, verbleiben aber vorerst überwiegend als nigerianische Leihgaben an ihren jeweiligen Standorten, zwei Objekte wurden im Rahmen der Unterzeichnung direkt zurückgegeben.
Werke
Die ersten Tafeln und Skulpturen entstanden um das 16. Jahrhundert am Hof des Oba in der Stadt Benin. Zu ihnen gehören aufwändig verzierte Gusstafeln, Gedenkköpfe, Tier- und Menschenfiguren, Gegenstände der königlichen Regalien und persönliche Ornamente. Viele wurden im Afrikanischen Gelbgussverfahren hergestellt. Teils werden auch Objekte als Benin-Bronzen bezeichnet, die aus Eisen, Holz, Leder oder Wolle am königlichen Hof entstanden sind. Sie stellen die Geschichte des Königreichs Benin auf sozialer, dynastischer und transnationaler Ebene dar.
Sie dienten vor allem der Ausschmückung des königlichen Palastes. Die Reliefplatten waren mit Hilfe von Nägeln an den Säulen und Wänden des Palastes aufgehängt, andere Objekte schmückten Ahnenschreine aus. Als höfische Kunst dienten sie in erster Linie der Verherrlichung des Obas und Manifestation seiner weltlichen und spirituellen Macht, sowie der Verehrung der Iyoba, der Königsmütter. Die Kunst im Königreich Benin nahm viele Formen an, von denen Bronze- und Messingreliefs und die Köpfe von Königen und Königinmüttern die bekanntesten sind. Auch Bronzegefäße, Glocken, Ornamente, Schmuck, Zeremonialwaffen und rituelle Gegenstände besaßen ästhetische Qualitäten und Originalität, sie bezeugten die kreative und technische Kunstfertigkeit ihrer Schöpfer, auch wenn sie oft von figürlichen Arbeiten aus Bronze und Elfenbeinschnitzereien in den Schatten gestellt wurden.
Im tropischen Afrika wurde die Technik des Wachsausschmelzverfahrens früh entwickelt, wie die Werke aus Benin zeigen. Wenn ein Oba verstarb, gab sein Nachfolger den Auftrag, einen Bronzekopf seines Vorgängers anzufertigen. Etwa 170 dieser Skulpturen sind erhalten, die ältesten stammen aus dem 12. Jahrhundert. Die Obas besaßen das Monopol auf die am schwierigsten zu beschaffenden Materialien wie Gold, Elefantenstoßzähne und Bronze. Sie ermöglichten die Herstellung der prächtigen Benin-Bronzen, womit die Königshöfe wesentlich zur Entwicklung der subsaharischen Kunst beitrugen. 1939 wurden in Ile-Ife, der heiligen Stadt der Yoruba, ebenfalls Bronzeköpfe der dort herrschenden, ebenfalls gottähnlichen Oònis entdeckt, die denen des Königreichs Benin ähnlich waren und aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammten. Diese Entdeckung bestätigte eine frühere Überlieferung, wonach es Künstler aus Ife waren, die die Technik der Bronzeverarbeitung nach Benin brachten. Die Bestätigung dieser bekräftige schließlich die endgültige Anerkennung des Alters der frühen beninischen Bronzegusstechnologien.
Im 18. Jahrhundert hatten Europäer nur wenige Beispiele afrikanischer Kunst gesammelt. Erst mit der Kolonialisierung und Missionierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden afrikanische Werke in größerer Zahl nach Europa verbracht, wo sie häufig als einfache Kuriositäten „heidnischer“ Kulte herabgewürdigt wurden. Diese Haltung änderte sich jedoch nach der Benin-Expedition von 1897. Die Aufnahme der geraubten Kunstwerke in europäische und amerikanische Museen führte zu einer allgemeinen Anerkennung und einer gesteigerten Wertschätzung dieser afrikanischen Kunst- und Kulturgüter. Zunächst erschien es den Entdeckern unglaublich, dass angeblich „so Primitive und Wilde“ fähig waren, solch hoch entwickelte Kunstobjekte zu schaffen. Daraus schlossen viele, dass das metallurgische Wissen von portugiesischen Händlern stammen musste, die in der frühen Neuzeit mit Benin in Kontakt standen. Tatsächlich war das Königreich Benin schon lange vor dem Kontakt mit portugiesischen Händlern ein Zentrum westafrikanischer Kultur und Zivilisation, in dem Bronzeplastiken schon Jahrhunderte vor dem Kontakt mit Europäern hergestellt wurden.
Foto: Daderot / CC0 / de.wikipedia.orgGeschichte nach dem Königreich Benin
1897 begann die Invasion von Benin durch Großbritannien nach einem Zwischenfall, bei dem sieben von neun Briten, die den königlichen Hof besuchen wollten, und 200 beninische Bürger getötet wurden. Die Briten waren vorher mehrfach aufgefordert worden, ihre Absicht aufzugeben. Um die Macht der Monarchie zu brechen, wurde der Oba ins Exil verbannt und der Palast in Brand gesteckt. Die königlichen Schätze wurden konfisziert und größtenteils in London versteigert, um die Kosten der Invasion zu decken. Es wird von 3000–5000 erbeuteten Objekten ausgegangen. Über Ankäufe gelangte die Beutekunst auch nach Deutschland. Mithilfe von Sammlungen versuchten Museumsleute aus Deutschland und Großbritannien ethnologisches Wissen über die lokale Bevölkerung Benins zu gewinnen. Auf diese Weise sollte die Kolonialverwaltung unterstützt werden. Felix von Luschan, Leiter der Abteilung Afrika und Ozeanien im Königlichen Museum für Völkerkunde Berlin, baute in Berlin die größte deutsche Sammlung auf, in vollem Bewusstsein, dass es sich um erbeutete Kunstschätze handelt. Deutscherseits waren 52 Söldner an der sogenannten „Strafexpedition“ unter dem Kommando Maschmann beteiligt. Die schweren Geschütze, mit denen die Häuser gezielt zerstört wurden, nachdem der militärische Sieg bereits errungen war, stammten zu einem Teil aus deutscher Produktion.
In den 1930er Jahren forderte der Hof von Benin erstmals offiziell von der britischen Krone die Rückgabe der Kulturgüter. Dem wurde nur eingeschränkt nachgekommen, und nur wenige Stücke wurden zurückgegeben. Der erste Versuch Nigerias, einige der Benin-Bronzen aus Berlin zurückzuerhalten, erfolgte im Jahr 1972. Über den Direktor der nigerianischen Antikenbehörde, Ekpo Eyo, wurde versucht, aus Berlin und weiteren Städten Europas einige Dauerleihgaben zu erhalten.
2008 wurde in Deutschland die Benin Dialogue Group gegründet, um den Austausch zwischen deutschen Museen und dem Herkunftsort zu fördern. Dies geschah aus deutscher Sicht zunächst nicht mit dem Ziel einer Restitution, sondern um Sammlungsinformationen auszutauschen und Ausnahmeregelungen für Bildrechte zu schaffen.
Humboldt Forum
2019 verkündete eine Sprecherin, dass mehr als 200 Objekte im neu eröffnenden Humboldt Forum ausgestellt werden sollen. Dies stieß auf Protest aufgrund ihrer durch Raub geprägten Vergangenheit. Außerdem wurde die schlecht ausgeprägte Provenienzforschung angemerkt.
Restitution
Ende 2017 verkündete der französische Präsident Emmanuel Macron die geplante Rückgabe von unrechtmäßig erworbenen Kulturgütern in französischen Museen und gab den Bericht über die Restitution afrikanischer Kulturgüter bei dem senegalesischen Schriftsteller Felwine Sarr und der Berliner Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy in Auftrag.
Im August 2019 forderte der Botschafter von Nigeria in Deutschland im Namen seiner Regierung explizit die Rückgabe der Benin-Bronzen. Zusätzliche Bewegung kam in die Debatte, als Kulturstaatsministerin Monika Grütters im März 2021 in einem Interview ankündigte, dass es Restitutionen geben werde. „Leerstellen“ in den Sälen seien vielleicht sogar zu begrüßen, da sie den „Besuchern diesen bisher vernachlässigten Teil unserer Geschichte vor Augen führen“ würden.
Kurz darauf dokumentierte Bénédicte Savoy, prominente Kritikerin des Humboldt-Forums, in ihrem Buch Afrikas Kampf um seine Kunst, dass einige afrikanische Länder schon in den 1960er- und 1970er-Jahren die Rückgabe ihres gestohlenen Kulturguts verlangt hatten. Am 22. März 2021 sagte der Generalintendant des Humboldt-Forums, Hartmut Dorgerloh, er „erwarte“ noch für 2021 die Rückgabe der Benin-Bronzen. Allerdings ist vor der Rückgabe das Einverständnis mehrerer Bundesministerien und des Stiftungsrats der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nötig. Im April 2021 beschlossen deutsche Museumsexperten eine Übergabe der Benin-Bronzen an Nigeria.
Im Oktober 2021 unterzeichneten eine deutsche Delegation sowie Vertreter Nigerias in Abuja eine gemeinsame Absichtserklärung, nach welcher „der zu Rückgaben führende Prozess im zweiten Quartal des nächsten Jahres mit Eigentumsübergang an den Objekten beginnen“ solle. Geplant ist eine Übereignung sämtlicher Bronzen. Es bestehe zudem Interesse daran, dass auch nach der Rückgabe weiterhin Objekte in Deutschland gezeigt würden. In der gemeinsamen Erklärung haben die Vertreter beider Länder zudem den Wunsch nach einer engeren Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Archäologie, der kulturellen Infrastruktur und der Ausbildung von Fachpersonal für Museen zum Ausdruck gebracht. Der Historiker Jürgen Zimmerer vermisst in diesem Zusammenhang eine historische Geste, mit der eine bedingungslose Rückgabe aller geraubten Objekte zum Ausdruck gebracht würde.
Mit einer am 1. Juli 2022 in Berlin unterzeichneten gemeinsamen Erklärung wurde ein Rahmen geschaffen, wie die Eigentumsrechte an den Bronzen von deutschen Museen an Nigeria übertragen werden können. Zur Unterzeichnung waren Nigerias Kulturminister Lai Mohammed und der nigerianische Außenminister Zubairu Dada nach Berlin gereist. Das vier Seiten und zwölf Unterpunkte umfassende Abkommen sieht eine „bedingungslose Rückgabe“ vor. Gleichzeitig wurde vereinbart, „dass die deutschen öffentlichen Museen und Institutionen die Benin-Bronzen weiterhin als Leihgaben ausstellen“ dürfen. Zwei Bronzen aus Berliner Beständen wurden direkt im Anschluss an die Erklärung übergeben: eine Reliefplatte mit einem König (Oba) und vier Begleitern sowie der Gedenkkopf eines Königs.
Digital Benin
Im Juni 2020 kündigte das Hamburger Museum am Rothenbaum ein internationales Projekt für 2022 zur digitalen Zusammenführung der weltweit zerstreuten Kulturgüter aus dem historischen Königreich Benin an. Ziel dieses Digital Benin genannten Online-Projekts ist „ein fundierter und nachhaltiger Bestandskatalog über Geschichte, kulturelle Bedeutung und Provenienz der Werke“.
Foto: Reginald Kerr Granville (d.1912) / Public domain / de.wikipedia.org