Fakten über: Stein von Rosette
Der Stein von Rosette oder der Stein von Rosetta, auch kurz Rosettastein, arabisch حجر رشيد, DMG Ḥaǧar Rašīd, ist das Fragment einer steinernen Stele mit einem Priesterdekret, das in drei untereinander stehenden Schriftblöcken sinngemäß gleichlautend eingemeißelt ist. Die dreisprachige Inschrift aus dem Jahr 196 v. Chr. ehrt den ägyptischen König Ptolemaios V. und rühmt ihn als Wohltäter. Die nach dem Fundort nahe dem Mittelmeerufer benannte Steintafel bzw. das Textkorpus, latinisierend Inscriptio Rosettana genannt, trug maßgeblich zur Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen, einer Bilderschrift, bei. Der Stein befindet sich seit 1802 im British Museum in London und ist dort nach wie vor eine Hauptattraktion der Sammlungen aus dem gesamten Britischen Weltreich.
Zustand des Steins und der Inschrift
Der Stein ist ein Bruchstück von einer ursprünglich höheren Stele aus dunkelgrauem Granodiorit. Das erhaltene Teil ist 112,3 cm hoch, 75,7 cm breit und 28,4 cm tief und wiegt 762 kg. Bei späteren Nachforschungen am Fundort Fort St. Julien (dem heutigen Fort Rosette), einer Befestigung in der Nähe der ägyptischen Stadt Rosette im Nildelta am nach dem Ort benannten Nilast östlich von Alexandria, wurden keine weiteren Fragmente dieser Steintafel gefunden. Ursprünglicher Standort und Größe der gesamten Stele blieben unbekannt.
Aufgrund der Beschädigungen ist keiner der drei Texte vollständig erhalten:
- Vom oberen Text (Hieroglyphen) fehlen rund zwei Drittel, nur die letzten 14 Zeilen sind unvollständig erhalten. Alle 14 Zeilen sind am rechten Rand beschädigt und 12 Zeilen zusätzlich auf der linken Seite.
- Der mittlere Bereich (demotische Schrift) ist am besten erhalten. Von den 32 Zeilen sind die oberen 14 am rechten Rand leicht beschädigt.
- Vom unteren Text (Altgriechisch) fehlt rechts ein Eckstück. Daher sind von den 54 Zeilen nur 27 vollständig lesbar.
Unmittelbar nach der Entdeckung im Jahr 1799 fertigten die französischen Forscher in Ägypten zahlreiche Kopien der Inschriften an. Sie färbten den dunkelgrauen Stein unter anderem mit Druckerschwärze ein und erhielten so spiegelverkehrte Abzüge auf Papier. Dadurch wurde die steinerne Oberfläche mit immer neuen dunklen Farbschichten überdeckt. Als der nun schwarze Stein Anfang des 19. Jahrhunderts im Britischen Museum der Öffentlichkeit zugänglich war, wurde die Oberfläche mit Carnaubawachs versiegelt, um sie vor den Händen der neugierigen Besucher zu schützen. Durch unzählige Berührungen kamen weitere Ablagerungen hinzu. 1981 wurde schließlich weiße Farbe auf die Schriftzeichen aufgetragen, um sie besser lesbar zu machen.
Bei der Vorbereitung einer großen Ausstellung im Jahr 1999 wurde entschieden, den Stein zu restaurieren und alle Schutz- und Farbschichten abzutragen. Bis zur Restaurierung im Jahr 1999 wurde der Stein liegend präsentiert.
Seither ist wieder die originale dunkelgraue Farbe zu sehen. Vorübergehend ließ man einen kleinen quadratischen Bereich in der unteren linken Ecke mit dem verdunkelten Wachs und der weißen Füllung unrestauriert. Bei der Ausstellung im Jahr 1999 stand der Stein erstmals seit der Antike wieder aufrecht, zuvor war er liegend präsentiert worden. Im Jahr 2004 wurde auch die untere linke Ecke in den originalen Zustand versetzt. Anschließend wurde der Stein an seinem heutigen Standort im Museum hinter Glas aufgestellt. Um eine "glasfreie" Betrachtung zu ermöglichen – und dem Bedürfnis der Besucher, die Inschriften zu befühlen, entgegenzukommen – wurde in unmittelbarer Nähe eine Replik des Steins offen aufgestellt.
Foto: - / CC BY-SA 3.0 / de.wikipedia.orgEntdeckung
Während der ägyptischen Expedition Napoleons wurde der Stein am 15. Juli 1799 von einem französischen Offizier namens Pierre François Xavier Bouchard bei Rašīd (Rosette) im Nildelta gefunden. Über die Umstände, unter denen Bouchard den Stein fand, existieren zwei Versionen: Eine besagt, dass sein Pferd über den Stein von Rosette gestolpert sei, weil er halb aus dem Boden ragte. Laut der zweiten Version habe Bouchard den Stein beim Abbruch eines alten Walls der dortigen Festung vorgefunden.
Der General Jacques-François Menou nahm ihn zunächst in sein Haus nach Alexandria. Von Wissenschaftlern, die Napoleon auf seinem Feldzug begleiteten, wurde der Stein eingehend untersucht. Nach der Kapitulation von Alexandria am 30. August 1801 wurde der Stein vom britischen Militär beschlagnahmt. Im folgenden Jahr wurde er erstmals im British Museum in London ausgestellt, wo er sich noch heute befindet. Auf den Schmalseiten der Stele informierten zwei weiße, mittlerweile verblasste Inschriften über den Beutecharakter des Objektes: »Captured in Egypt by the British Army in 1801« und »Presented by King George III«.
Foto: Original uploader was TheEgyptian at en.wikipedia / CC-BY-SA-3.0 / de.wikipedia.orgÜbersetzung der ägyptischen Schrift
Der Stein enthält dreimal den gleichen, relativ langen Text, und die griechische Version ist gut lesbar. Deswegen bot der Stein – ähnlich wie später auch andere Bilinguen – einen Schlüssel zur Entzifferung der ägyptischen Schriften.
Jean-François Champollion
Jean-François Champollion gelang 1822 anhand des Steines und anderer Quellen die Entzifferung der demotischen Schrift sowie die Entschlüsselung der hieratischen Schrift und der Hieroglyphen. Er konnte jedoch nicht am Original, sondern nur an einer Abschrift des Steines arbeiten. In Erinnerung daran wurde vom Bildhauer Joseph Kosuth in Champollions französischer Geburtsstadt Figeac auf der Place des Écritures („Platz der Schriften“) eine stark vergrößerte Nachbildung des Steins von Rosette geschaffen.
Nach der Veröffentlichung seiner Entdeckung gelang die Entzifferung weiterer Hieroglyphen relativ schnell. Dadurch wurde es Archäologen möglich, viele weitere ägyptische Hieroglyphen-Inschriften zu entziffern. Der Stein von Rosette war einer der Auslöser der modernen Ägyptologie.
Andere Forscher
Champollion war nicht der Einzige, der sich mit dem Stein von Rosette beschäftigte. Einige Forscher hatten zuvor gewissermaßen die Grundlagen für Champollions Arbeit gelegt:
- Silvestre de Sacy versuchte anhand des Steins von Rosette, den demotischen Text durch einen graphischen Vergleich mit dem griechischen Teil zu deuten.
- Dem Schweden Johan David Åkerblad gelang es 1802, die demotischen Namen zu lesen, womit er die Arbeit Sacys fortsetzte.
- Thomas Young beschäftigte sich ein Jahr lang mit dem Stein von Rosette. Bis zu seinem Lebensende behauptete er, die Hieroglyphen entziffert zu haben, und lehnte gleichzeitig die Forschungsergebnisse von Champollion ab. Er entzifferte im demotischen und hieroglyphischen Teil Königsnamen und Begriffe, die mehrfach im Text vorkamen. Dabei gelang es ihm jedoch nicht, die komplexe Grammatik der altägyptischen Schrift zu verstehen.
Inhalt
Der Text wurde so verfasst, dass ihn drei Bevölkerungsgruppen lesen konnten: für die Priester auf Ägyptisch als Gottesworte in Hieroglyphen (14 erhaltene Zeilen), für die Beamten auf Ägyptisch in demotischer Briefschrift (32 Zeilen) und für die griechischen Herrscher über Ägypten auf Altgriechisch in griechischen Großbuchstaben (54 Zeilen).
Die Übersetzung des Inhalts hält sich, wenn möglich, immer an die Hieroglyphenvorlage. Es ergeben sich teilweise leichte Abweichungen gegenüber der griechischen Inschrift, da bestimmte Formulierungen im Hieroglyphentext vermieden wurden. Beispielsweise kennt der Hieroglyphentext keinen Titel „Pharao“, sondern nur die übliche Titulierung „König von Ober- und Unterägypten“. Fehlende Textpassagen in der Hieroglyphenversion wurden mit den Übersetzungen der erhaltenen anderen Versionen ergänzt.
- Datierung und Einleitung
- Der König als Wohltäter und Steuererleichterungen
- Vergünstigungen an Priesterschaft und Krieger
- Schutz des Landes und Bezwingung der Rebellen von Lykopolis (Schekan)
- Fürsorge für heilige Tiere und Götterkult
- Priesterbeschluss zu Ehren des Königs und seiner Ahnen
- Beschreibung des zu fertigenden Schreins für Ptolemaios V.
- Feste zu Ehren des Königs
- Vervielfältigung des goldenen Schreins und Schlusserklärung
Motive für das Dekret
Ptolemaios V. (210–180 v. Chr. Pharao 205–180 v. Chr.) erreichte die Unterstützung durch die Priesterschaft nur durch Zugeständnisse und erweiterte Privilegien an die Lesonis-Kaste. Dazu griff Ptolemaios V. in seinem neunten Regierungsjahr entscheidend in die Steuer- und Finanzwirtschaft ein und verzichtete auf die bis dahin ausstehenden Zahlungen der Tempel. Gleichzeitig reduzierte er die Abgaben an das Königshaus. Zusätzlich wurde den Priestern ihr alter Besitzstand gesichert und die alljährliche Reise zum Haus Alexandria nicht mehr als Pflicht auferlegt.
Die Priesterschaft war sich ihrer Bevorzugung bewusst, die zugleich eine deutliche Schwächung der ägyptischen Staatsmacht darstellte. Aufgrund dieser Situation dominieren als Ausgleich für die Zugeständnisse Lobesreden auf Ptolemaios V. die Ausführungen im Dekret. Die hervorgehobenen Leistungen des Pharaos symbolisierten jedoch die obligatorischen Pflichten eines Königs, die sowieso erbracht werden mussten.
Der Text der Inschrift stellt nicht eine Abschrift der Originalurkunde dar, da detaillierte Listen und Nennungen der betroffenen Tempel fehlen. Es handelt sich daher nur um einen knappen Ausschnitt, der klischeeartig Ehrungen aufzählt, die dem Pharao erwiesen werden sollen. Einmalig und einzigartig in der ägyptischen Geschichte ist die Deutlichkeit, mit der die aufgezwungenen Rechtsgeschäfte der Priesterschaft aufgeführt werden. Deutlich ist der Niedergang der ptolemäischen Wirtschaft zu beobachten.
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